E.T.A. Hoffmanns “Der Sandmann” — keine Geschichte zum Einschlafen!
Dieser Meinung waren beide Deutsch-Leistungskurse (Lucan, Nolte-Linde) der Q2, als sie im Oktober letzten Jahres die Möglichkeit hatten, im KJT (Kinder- und Jugendtheater) Dortmund eine Bühnenfassung dieser romantischen Erzählung zu sehen.
Beeindruckt von der schauspielerischen Leistung und dem interessanten, variantenreichen Bühnenbild und auch von dem Einsatz der digitalen Bühnenbilderweiterung hatten alle SchülerInnen sofort einen guten Überblick über die Handlung und eine tiefe Einsicht in eine hochsensible irritierte Seele, deren Wirklichkeitswahrnehmung einer kindlichen Traumatisierung wegen geschärft und empfänglich für Zeichen von Bedrohungen ist. Die Inszenierung schafft es, die Grenzen von Wahn, Zufall und Wirklichkeit zu öffnen und die Irritation auch bei den Zuschauern auszulösen.
Wir hoffen sehr, auch in diesem Jahr Literatur so hautnah erleben zu können.
Theaterpädagogik bietet szenischen Einstieg
Sehr gut sensibilisiert für die Themen der Erzählung wurden die SchülerInnen durch einen 90minütigen Workshop, in dem die Theaterpädagogin Linda Thaller durch gezielte szenische Übungen auf die in der Erzählung thematisierten inhaltlichen Aspekte vorbereitete.
Zeitlos sind die irritierend aufgeworfenen Fragen der Erzählung, z.B.
Wann ist der Mensch für einen anderen Menschen ein „gefühlloser Automat“? Unter welchen Bedingungen gewinnt ein Automat an emotionaler Bedeutung für einen Menschen?
Was und wen verliere ich aus den Augen, wenn ich zu sehr fokussiert bin?
Wann bin ich geneigt, Unglaubwürdiges als wahr zu empfinden, Wahres allerdings als unglaubwürdig zu beurteilen?
Bei aller Irritation bleibt aber für alle Teilnehmer des Theaterbesuchs wahr, dass das KJT Dortmund durch eine fesselnde Bühnenversion der Erzählung die Empfänglichkeit für „alte“ Literatur vertieft, wenn nicht sogar in die Wege geleitet hat.
(M. Nolte-Linde)